Die Sizilianische Reise, II

Die Sizilianische Reise, II

Ankunft in Fontanarossa

Was geht einem durch den Kopf, wenn man nach Jahren des Wünschens und Träumens darüber endlich, von München kommend, in Rom ins Flugzeug steigt und mit ITA airlines Richtung Sizilien fliegt? Unglaubliche Vorfreude, Herzklopfen und Spannung wetteifern miteinander auf dem weniger als anderhalb Stunden langen Flug. Keine dieser Empfindungen lässt bei der Landung in Fontanarossa nach. Sie werden allerdings überlagert von dem elektrisierenden Gedanken, jetzt tatsächlich sizilianischen Boden unter den Füßen zu haben.

Zwar fällt mir beim Warten aufs Gepäck durchaus Goethes vielfach kolportierte Aussage ein, wonach Italien, ohne Sizilien, gar kein Bild in der Seele mache, aber es war nie meine Absicht, auf dieses Dichters sizilianischen Spuren zu wandeln. Vielmehr bin ich getrieben von dem Wunsch, die unglaublich lange, unglaublich vielfältige, wilde und interessante Geschichte dieser Insel wenigstens bruchstückhaft mit lebendigen Bildern an Ort und Stelle für mich selbst illustrieren zu können.

Den Flughafen in Catania gibt es seit 1924, er ist der älteste der Insel, und er wird wahlweise Fontanarossa oder Vincenzo Bellini oder beides zusammen genannt. Wegen seiner Nähe zum Ätna kann es schon mal vorkommen, dass der Flugverkehr dort suspendiert wird, wenn nämlich aus dem Vulkan ein besonders dichter Ascheregen und/oder Rauch austritt. So geschehen letzthin in den Jahren 2023 und 2024, aber nicht bei meiner Ankunft Ende Mai 2025. Ein paar Tage später allerdings brach der Ätna tatsächlich wieder aus und verursachte einige Probleme, aber Fontanarossa als Ganzes blieb geöffnet. 

Der Ätna und auch dessen neuester Ausbruch wird noch ausführlich zur Sprache kommen.

Der Flughafen mutet im Vergleich mit Fiumicino eher klein, schlicht und weniger hochfrisiert an, aber man findet letztendlich alles, was man braucht. Draußen umfängt mich sofort gleißender Sonnenschein und durchaus erträgliche, sogar sehr wohltuende Hitze.

Dann der erste Schock auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel in Acireale: Zahlreiche Häuser an der Straße zeigten sich ausgebrannt, verlassen und in bestürzend schlechtem Zustand, was sich aber mit zunehmender Entfernung von der Fontanarossa-Region deutlich besserte. Warum nur gibt es diese Narben? Nun, Sizilien allgemein ist häufig Opfer verheerender Feuersbrünste, und insbesondere die eben durchfahrene Gegend wurde 2021 und 2023 heimgesucht. 2021 waren die Feuer wohl hauptsächlich Folge krimineller Brandstiftung, wobei viele Häuser entlang der Straße in Mitleidenschaft gezogen und Familien evakuiert werden mussten, während 2023 die Brände eher auf die Feueranfälligkeit der immer mehr werdenden verlassenen, einst gut gehenden Landwirtschaften zurückgingen, angefacht durch starke Winde und Lufttemperaturen in jenem Jahr bis 48 Grad Celsius!

Die Wiederherstellung dieser Ruinen ist vielfach schwer bis unmöglich. Zum einen wegen der immensen Kosten in einer schwächelnden gesamtwirtschaftlichen Situation und zum anderen aufgrund sehr strikter italienischer Restaurierungsvorschriften.

Während der etwa einstündigen Fahrt durch zähflüssigen Berufsverkehr zum Hotel eröffete sich dem staunenden Auge auch viel Schönes, vor allem die prächtigen und in mannigfachen Schattierungen vorkommenden Oleanderbüsche an Straßenrändern, über Gartenmauern hängend, im Feld stehend, die vielen dicken Palmen dazwischen, deren unteres Drittel jedoch eher verdorrt aussah, rundflächig verzweigte Kakteen, Agaven, und immer wieder der Panoramablick von der Uferstraße hinunter aufs Meer, das zu diesem Zeitpunkt blaugrau und ruhig dalag. Das Ufer bestand aus arg zerklüftetem, schwarzem Lavagestein.

An der Meerseite waren viele romantisch anmutende kleine Restaurants zu finden, auf der anderen viele große und kleine Wohnhäuser.

Schließlich fuhr man durch die hübsche kleine Küstenstadt Acireale und über Serpentinenstraßen zum eher abgelegenen Hotel Santa Tecla Palace hoch über dem Ionischen Meer, dem Teil des Mittelmeeres, wo auch dessen tiefste Stelle zu finden ist, die Calypso, die über 5,109 in die Tiefe geht. 

Acireale hat seinen Namen von einer Geschichte über den Zyklopen Polyphemus, den man aus der Odyssee kennen mag. Vielleicht war dieser einäugige Riese ja auch die Personifizierung des mächtigen Ätna selbst. Jedenfalls hatte er einmal mit einem Nebenbuhler namens Acis um die Gunst seiner angebeteten Seegöttin Galatea zu tun. Galatea zog den Schäfer Acis vor, Polyphemus, jähzornig wie er war, verkraftete das nicht und erschlug den Acis mit einem Felsbrocken auf den Hängen des Ätna. Galatea war außerstande, den Geliebten wieder zum Leben zu erwecken, konnte ihn aber in ein Flüsschen verwandeln, das von der östlichen Flanke des Ätna herabfloss, um sich mit ihm im Meer zu vereinen.

Statue des Polyphemus im Themenpark von Zafferana Etnea

Wo genau dieser Fluss heute zu verorten ist, bleibt unklar, es gibt mehrere Möglichkeiten. Klar ist, dass er in der Mythologie und Geschichte der Gegend eine Rolle gespielt hat, was sich eben in der Namensgebung von Acireale und acht anderen nahe gelegenen Weilern widerspiegelt, z.B. Aci Trezza oder Aci Castello.

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