Hundstage, Heuert und Ernting

Hundstage, Heuert und Ernting

Friday, August 2, 2024 Hundstage August Diana Sirius Sternbild

Wir sind auf den Hund gekommen. Allesamt.

Nun könnte man diese Aussage sehr ergiebig auf politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ebene durchleuchten oder kalauerisch wörtlich nehmen.

Wir hingegen tun nichts dergleichen, sondern tauchen ein in die reiche Folklore, die sich darum rankt. Es geht nämlich um die sogenannten Hundstage, eine Wetterperiode, die um den 23. Heuert herum beginnt und mit dem 23. Ernting endet.

Sie ahnen es: die alten Bezeichnungen stehen für die Monate Juli und August. Unsere deutschsprachigen Altvorderen waren soviel bildlicher in ihrer Ausdrucksweise als wir es heute sind, speziell die Menschen auf dem Lande.

Im Heuert begann vor Zeiten die Heuernte, die übrigens von den Kelten eingeführt wurde als ein wesentlicher Faktor für die Evolution von umherziehenden Stämmen zur Sesshaftigkeit, weil sie so auch in den kargen Wintermonaten ihr Vieh an Ort und Stelle füttern und den Bestand erhalten konnten, anstatt es zu anderen Weideplätzen treiben und dezimieren zu müssen.

Heutigentags beginnt die Heuernte regional schon eher, und im Juli wird oft bereits die zweite oder gar dritte Mahd eingefahren. Auch andere erste Feld-, Wald- und Wiesenfrüchte lassen sich im Heuert schon gut ernten, wie z.B. allerlei Beeren und Honig.

Für Meister Petz war und ist dies keine Neuigkeit. Dieser brummige Geselle auf der Suche nach süßen Naschereien taucht im Juli besonders häufig auf, was diesem Monat auch die Bezeichnung Bärenmonat eingebracht hat. Der Name Honigmond hingegen bezieht sich eher auf die Gepflogenheit, dass im Juni nach den vermehrt stattfindenden Mai-Hochzeiten besonders viele Paare in die Flitterwochen reisen und genussvoll eintauchen in die sich nun entfaltende natürliche Fülle.

Folgerichtig wird am 13. Juli Demeter geehrt, die griechische Göttin der Fruchtbarkeit. Sie lehrte die Menschen den Ackerbau und trug Sorge um die Fruchtbarkeit der Erde, des Getreides und der Saat. (Siehe meinen Text https://www.liane-harmat.com/das-geheimnis-der-demeter)

Wiedermal die Kelten hingegen feierten in der Nacht zum ersten Ernting ein ganz besonderes Jahreskreisfest, nämlich Lughnasad (gesprochen Luu nah ssaa), das Fest des traditionell ersten Kornschnitts im achten Vollmond nach Yul. Auch heute noch wird dieses Fest in den nordischen Ländern mit Freudenfeuern und vielen Ritualen begangen.

Das Fest markiert den zunächst noch unmerklichen Übergang von prachtvoll in vollstem Saft stehenden Nutz-und anderen Pflanzen hin zum kühleren Herbst: Jetzt stellen die Bäume ihr Wachstum ein, die Tage werden kürzer, und in Mitteleuropa macht sich der Kuckuck als erster der Zugvögel auf in seine Winterquartiere.

Die gute Nachricht ist, dass jetzt der Wein an den Reben zu reifen beginnt, vorausgesetzt, dieser Prozess trifft auf heißes, sonniges Wetter.

Der Juli, dessen heutiger Name übrigens auf Julius Cäsar zurückgeht, war für die Bauern früher eine Zeit intensiver Arbeit, wo alle Hände gebraucht wurden, auch die der Kinder, weshalb man die langen Sommerferien einführte.

Somit sind wir schon im Ernting, im August, dem zweiten kaiserlichen Monat, wo die Hitzewelle ihren Fortgang nimmt und sich die Arbeitsintensität vor allem auf den Getreidefeldern steigert. Die Schule ist noch immer aus, wobei dieser Umstand für die Bauern heute keine bedeutende Rolle mehr spielen dürfte, da vieler Hände Arbeit nunmehr von Maschinen übernommen wird.

Augustus Octavian gab dem Ernting zwar seinen heutigen Namen, aber auch dieser erste der römischen Kaiser, der damals noch Sextilius hieß, übernahm die Bezeichnung selbst von seinem Idol, der römischen Göttin Juno Augusta, der er sogar seine gesamte Regentschaft widmete. Augustus heißt auch der Erhabene, der Große, was sicherlich ein weiterer wesentlicher Beweggrund für diesen kaiserlichen Namenszusatz war.

Als Augustae betitelte man fortan auch weibliche Mitglieder der kaiserlichen Familie und andere herausragende Frauen, wie die Orakelpriesterinnen. Davon leitet sich übrigens auch der Begriff „Augur“ ab, also einerseits ein römischer Priester oder Beamter, der durch Beobachtung des Verhaltens von Tieren und Naturereignissen in einem bestimmten Rahmen den Willen der Götter deutete und den Menschen vermittelte, und andererseits generell jemand, der Ereignisse voraussagte.

Im August sei der Mensch gefordert, klare Entscheidungen zu treffen und in die Selbstbestimmung zu treten, also volle Verantwortung für sein Tun und Lassen zu übernehmen, ohne sich, anderen oder der Natur zu schaden, sich also über die Niederungen seiner Persönlichkeit zu erheben und sich frei zu entfalten auf der Basis informierter Entscheidungen – in diesen Zeiten fremdbestimmter Verhaltensweisen, unablässiger Indoktrination seitens eng definierter Interessengruppen und dem Primat seichter Unterhaltung ein immer mehr in den Hintergrund gedrängtes Konzept.

Man könnte sich an einer weiteren, im August gefeierten römischen Göttin orientieren, an Diana, der ewig jungfräulichen Göttin, der Wildnis und der Jagd. Als solche war sie sicher und schnell in ihren Entscheidungen, denn Zögerlichkeit kann in jenen Bereichen schnell zu äußerst prekären Umständen führen. Sie galt aber auch als Mondgöttin und Beschützerin der Frauen und Mädchen. Letzteres ist eher kurios, wenn man bedenkt, dass die unerschrockene Jägerin ja Vorbild sein sollte für die Entwicklung junger Mädchen hin zur Selbständigkeit.

(Auf dieser Website unter „Texts in German“ findet sich ein weiterer ausführlicher Text über die Bedeutung des Monats August, geschrieben 2021.)

Was hat dies alles jedoch mit dem überschriftlich und eingangs erwähnten Hund zu tun? Ziemlich wenig eigentlich, außer der überschneidenden Folklore aus anderen Bereichen.

Der Hund kommt ins Spiel als Sternbild Canis major oder Großer Hund, das während der häufig heißesten Zeit des Jahres am Firmament zu beobachten ist. Dessen hellster Stern am Nachthimmel ist der Sirius oder Hundsstern und ist in der gleichnamigen Zeitspanne heute nur noch am europäischen Himmel zu sehen.

Am kanadischen Himmel sieht man diesen hellsten der Sterne am besten in klar-kalten Winternächten in südlicher Richtung, aber die Bezeichnung dog days hat sich dennoch für die heißesten Sommertage erhalten. Deren Dauer definiert sich vom ersten Auftauchen des Sirius in der europäischen Morgendämmerung bis das vollständige Sternbild etwa einen Monat später erscheint und die große Hitze vorüber ist. Wegen der Eigenbewegung des Sternbildes und der Richtungsänderung der Erdachse hat sich der Aufgang des Sirius heute allerdings auf Ende August verschoben. Das astronomische Phänomen Hundstage sollte eigentlich also erst zu jener Zeit beginnen.

Es ist übrigens ein Irrtum zu glauben, dass Canis major das Wetter beeinflusse, das Sternbild hat mit Wetter nichts zu tun. Vielmehr haben die Menschen die Erscheinung des Sirius mit dem Beginn heißen Wetters in Verbindung gebracht, und zwar schon die alten Ägypter, die während des höchste Wasserstands im Nil den Sirius am Himmel beobachteten. Es war für ägyptische Bauern eine gute Zeit, denn die Nilwasser spülten fruchtbaren Boden an.

Die Araber hingegen erfuhren unter dem Sirius eine höllisch heiße Zeit. Für sie war „der aus dem Hundsstern tropfende Speichel“ verantwortlich für vermehrt erfahrene Fata Morganen in der flirrenden Wüstenhitze.

Auch die Griechen schoben die Ursache für große Hitze auf den Sirius. Sie nannten den Aufgang seines Sternbildes „heliakischen Aufgang“ und definierten dies als Verschmelzung des Sonnenlichts mit dem Feuer des Sirius, resultierend in extra starker Hitze.

Aus astronomischer Sicht ist der helle Sirius ein wirklich interessantes Phänomen:

Nur 8,7 Lichtjahre entfernt — etwa 50 Billionen Meilen — ist Sirius der fünftnächste Stern, den wir kennen. Von allen ohne Teleskop sichtbaren Sternen ist er der nächste, mit Ausnahme von Alpha Centauri. Er ist daher einer der wenigen Sterne, der sich im Vergleich zu seinen Nachbarn anscheinend bewegt hat, seit die Menschen zum ersten Mal über den Himmel schreiben: Seine Position am Himmel ändert sich im Laufe von 1.500 Jahren stark, so wie der Vollmond sich zu bewegen scheint, was die unterschiedlichen zeitlichen Wahrnehmungen in verschiedenen Regionen erklärt.

Auf den Hund kommen im Sinne einer prekären finanziellen oder gesundheitlichen Lage sollten wir jedoch tunlichst vermeiden. Die Herkunft dieser Redewendung wird unterschiedliche definiert, aber eine Erklärung ist die, dass dieses Tier in früheren Zeiten lange nicht die Anerkennung und Liebe genoss, die es heute erfährt. Auch sagt man, dass reiche Leute ihre Schätze in einer Truhe aufzubewahren pflegten, auf deren Boden ein Hundebild eingelassen war. Wenn man dieses zu Gesicht bekam, hatte man all sein Geld ausgegeben und stand mit leeren Taschen da. Nicht gut.

Handelt es sich allerdings um den realen Canis, unseren seit langem treuen und beliebten tierischen Begleiter, so ist absolut nichts dagegen einzuwenden. Aber das wären Überlegungen für ein andermal.

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